Unsichtbare Pflegearbeit: Fürsorgliche Praxis auf der Suche nach Anerkennung von Christel Kumbruck, Mechthild Rumpf und Eva Senghaas-Knobloch

Unsichtbare Pflegearbeit: Fürsorgliche Praxis auf der Suche nach Anerkennung von Christel Kumbruck, Mechthild Rumpf und Eva Senghaas-Knobloch

Unsichtbare Pflegearbeit: Fürsorgliche Praxis auf der Suche nach Anerkennung von Christel Kumbruck, Mechthild Rumpf und Eva Senghaas-Knobloch

Die Klagen über den Mangel an Pflegekräften in der Alten- und Krankenpflege sind inzwischen notorisch – in den Medien, in politischen Debatten und vor Ort. Weniger oft wird darüber berichtet, dass Erschöpfungserkrankungen und Berufswechsel unter Pflegekräften besonders häufig sind und die Entlohnung in diesem Berufsfeld unangemessen niedrig ist. Und zu wenig präsent ist in der öffentlichen Diskussion auch die Frage, ob Pflege unter gegenwärtigen Bedingungen überhaupt „menschenwürdig“ ausgeübt werden kann. Vieles spricht dafür, dass es Diskrepanzen zwischen den Erwartungen und Zumutungen gibt, die an Pflegekräfte gerichtet werden und dem, was sie selbst an ihrem Beruf schätzen, wie sie ihr Ethos pflegerischer Praxis verstehen, was sie erwarten und bewältigen können.

Die Studie von Christel Kumbruck, Mechthild Rumpf und Eva Senghaas-Knobloch stellt diese Diskrepanz in den Zusammenhang veränderter Geschlechterbeziehungen in unserer Gesellschaft. Zum einen zeigt sich das Dilemma, dass das politische Ziel, private häusliche Pflege zu favorisieren, schlecht zu den neuen sozialpolitischen Rahmenbedingungen passt: Private unbezahlte Pflege kann unter gegenwärtigen sozialpolitischen Bedingungen überfordernde und existenzgefährdende Folgen haben. Zum anderen kollidieren auch die ökonomischen Rahmenbedingungen für berufliche Pflege mit dem Anspruch eines Ethos fürsorglicher Praxis, das an menschenwürdiger Pflege orientiert ist. Mit Blick auf die Pflegeeinrichtungen konstatiert die Untersuchung, dass die organisatorischen Vorgaben im Erleben von Pflegekräften gute Pflegearbeit sehr erschweren oder gar nicht mehr zulassen. Nicht die deklarierten, wohl aber die faktisch geltenden Organisationsregeln entsprechen nicht dem, was viele Pflegekräfte unter guter Pflege verstehen:

Eine (gute) Beziehung zu den Menschen ist das Wichtigste, was Frauen und Männer gleichermaßen an den Pflegeberuf bindet; eine Qualität, die aber in ökonomisierten Einrichtungen besonders gefährdet ist. Wenn die vom Management „definierte Zeit“ für Verrichtungen die entscheidende kommunikative Seite der Pflegehandlungen nicht mehr zulässt, so zeigen die Befunde, verliert der Beruf für Frauen und Männer seine Attraktivität, und auch das Ethos gerät in Gefahr. Es sind vor allem männliche Pflegekräfte, die diese Entwicklung am schärfsten kritisieren. Sie heben auch die hohe Relevanz und den besonderen Kompetenzcharakter ihrer täglichen (und nächtlichen) Pflegehandlungen hervor und verweisen ausdrücklich auf ihre Emotionsarbeit, beispielsweise um die Stimmung in den Krankenzimmern aufzuhellen. Schwestern betrachten diese Haltung eher als selbstverständlich an und beschreiben sie nicht als besondere Kompetenz. Offenbar wirken hier tief eingeprägte kulturelle Vorstellungen über den weiblichen Charakter von Pflege nach.

Dabei scheint der Pflegeberuf überraschenderweise in besonderer Weise dafür zu prädisponieren, bei der außerberuflichen Arbeitsteilung ganz neue Wege zu beschreiten. Wer in der Pflege tätig ist, weiß, dass Betreuungs- und Pflegebedürftigkeit zuhause und in Einrichtungen rund um die Uhr gilt. Bei den in der Studie interviewten pflegeberuflich tätigen Paaren, finden sich mit großer Selbstverständlichkeit neue Familienarrangements: Junge Väter arbeiten ebenso wie junge Mütter in ihrer Elternzeit in kurzen (oder geringfügigen) Teilzeiten (oft nachts), um Sorgetätigkeiten zuhause mit einem gewissen Kontakt zur Einrichtung und den Beruf zu wahren. Die Autorinnen geben zu bedenken, dass die moralischen Orientierungen und das berufliche Pflegeethos innerhalb der Gesellschaft keine unerschöpflichen Ressourcen darstellen. Es bedarf einer gesamtgesellschaftlich getragenen Kultur des Sorgens und dazu passender neuer Rahmenbedingungen, einerseits, um unbezahlte Care-Zeiten in den Lebenslauf integrieren zu können, und andererseits, um berufliche Pflegequalität nachhaltig zu ermöglichen.

Christel Kumbruck, Mechthild Rumpf, Eva Senghaas-Knobloch: Unsichtbare Pflegearbeit. Fürsorgliche Praxis auf der Suche nach Anerkennung. Mit einem Beitrag von Ute Gerhard. Münster erschienen bei Lit Verlag 2011

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