Das AKF-Interview (Nr. 6): Warum ein neues Mutterschutzgesetz?

Das AKF-Interview (Nr. 6): Warum ein neues Mutterschutzgesetz?

Prof. Dr. Katja Nebe
Aus unserer Reihe „Das AKF-Interview“: Interview mit Frau Professorin Dr. jur. Katja Nebe, Universität Halle, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Recht der Sozialen Sicherheit

Warum ein neues Mutterschutzgesetz?

AKF: Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf vorgelegt. Frau Professorin Nebe, brauchen wir ein neues Mutterschutzgesetz?

Prof. Nebe: Ja, wir brauchen es dringend. Unser geltendes Mutterschutzgesetz stammt aus dem Jahr 1952 und spiegelt, abgesehen von wenigen kosmetischen Änderungen, die gesellschaftlichen Rollenvorstellungen der Bundesrepublik der 50er Jahre wider. Ein kurzer Blick auf die überschaubare Anzahl an Bestimmungen zeigt, dass Beschäftigungsverbote bei körperlich anstrengender Industriearbeit dominieren. Konkret formulierten Gefahrensituationen sollte durch den völligen Ausschluss von der Erwerbsarbeit begegnet werden. Der im allgemeinen Arbeitsschutz vollzogenen Paradigmenwechsel vom reagierenden zum präventiven Arbeitsschutz ist gerade im Mutterschutz nicht vollzogen worden. Dies wird seit langem, wenn auch nur von wenigen, als unhaltbar kritisiert, denn gerade schwangere oder stillende Frauen brauchen Gesundheitsprävention wie kaum in einer anderen Lebensphase; denken Sie dabei insbesondere an das oft unbekannte Stadium der ersten Schwangerschaftswochen. Außerdem beginnt schon mit dem Mutterschutz die heute viel diskutierte Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Diesen Anforderungen wird das geltende Mutterschutzgesetz nicht gerecht.

Der Vollständigkeit halber will ich ergänzen, dass es zwar seit 1997 eine sogenannte „Mutterschutzarbeitsplatzverordnung“ gibt, die klug geregelte Gestaltungspflichten formuliert. Nur ist die Rechtsverordnung weitgehend unbekannt und kommt angesichts der überragenden Bedeutung des Mutterschutzgesetzes praktisch nicht zur Wirkung.

Eine Modernisierung des Mutterschutzgesetzes ist also längst überfällig. Eine Neuorientierung des Rechts am Wandel der Arbeitswelt und der Frauenbeschäftigung ist dringend notwendig, damit der medizinisch und psychosozial gebotene Gesundheitsschutz in der besonderen Lebensphase von Schwangerschaft und Stillzeit wirkungsvoll und diskriminierungsfrei umgesetzt wird.

AKF: Welchem Leitbild muss ein novelliertes Mutterschutzrecht aus Ihrer Sicht entsprechen?

Prof. Nebe: Der Mutterschutz darf nicht länger losgelöst vom allgemeinen betrieblichen Arbeitsschutz begriffen und gestaltet werden.  Der betriebliche Mutterschutz basiert auf kommunikativ-partizipativen Instrumenten (Gefährdungsbeurteilung, Unterweisung, Information, Beteiligung). Alle Arbeitsschutzverantwortlichen müssen die besondere Lage von schwangeren oder stillenden Frauen im Blick haben. Wie auch der allgemeine Arbeitsschutz muss der Mutterschutz den Vorgaben des europäischen Arbeitsschutzrechts folgen. Zugleich darf Mutterschutz nicht zu Diskriminierungen von Frauen führen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat klar entschieden, dass mutterschutzspezifische Schutzregelungen die gleichberechtigte berufliche Teilhabe von Frauen nicht beeinträchtigen dürfen. Sollten Schutzbestimmungen das Risiko mittelbarer oder unmittelbarer Diskriminierungen bergen, muss durch flankierende Schutzmaßnahmen gegengesteuert werden.

Vor diesem Hintergrund lässt sich das Leitbild eines mit höherrangigem Recht übereinstimmenden Mutterschutzes mit folgenden Stichworten zusammenfassen: Prävention und Kommunikation, Anpassung der Arbeitsbedingungen an die Schwangerschaft/Stillzeit und nicht umgekehrt, Vermeidung jeglicher Schlechterbehandlung der Frauen durch weitest mögliche berufliche Teilhabe, gestufte Anpassungsmaßnahmen vorrangig vor Freistellungen, flankierende Schutzmaßnahmen wie Kündigungsverbot, Erhalt sämtlicher mit dem Arbeitsvertrag verbundener Rechte und ein gesichertes Rückkehrrecht nach einem Mutterschaftsurlaub.

AKF: Wie sieht es denn heutzutage in den Betrieben aus? Welche Erfahrungen machen erwerbstätige Frauen, die schwanger sind?

Das Erfahrungswissen ist ernüchternd. Arbeitgeber/innen, die schon heute einen präventiven, kommunikativen und diskriminierungsfreien Mutterschutz organisieren, sind die Ausnahme. Die Arbeitswelt ist weitgehend noch nicht bereit, sich den Gestaltungsanforderungen zu stellen. Stattdessen werden junge Frauen – zum Teil auch medial – verunsichert; ein adäquater Umgang mit Gefährdungslagen wird nicht praktiziert. Personalverantwortliche wirken vielmehr auf die Frauen ein, sich für die gesamte Schwangerschaft durch die Einholung eines ärztlich bescheinigten individuellen Beschäftigungsverbotes völlig aus der Arbeit zurückzuziehen. Eine Ersatzkraft ist für die Arbeitgeber offensichtlich einfacher organisiert, zumal die freigestellte schwangere Frau angesichts der 100%igen Lohnkostenerstattung keine finanzielle Belastung darstellt.

Im Ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung ist nachzulesen, dass mit der Geburt eines Kindes zuvor gleichberechtigt gelebte Partnerschaften zu tradierten Rollenaufteilungen übergehen, d.h. der Vater arbeitet weiter unverändert bzw. erhöht möglicherweise seine Arbeitszeit. Die junge Mutter widmet sich voll und ganz dem Kind und kehrt nach Ausschöpfung der 12monatigen oder häufig einer noch länger dauernden Elternzeit mit deutlich reduzierter Stundenzahl in den Beruf zurück. Die meist bis zum Renteneintritt anhaltende ungleiche Erwerbsbeteiligung führt zu den bekannten Problemen, wie Gender-Pay-Gap oder Benachteiligung von Frauen im Erwerbsleben z.B. beim beruflichen Aufstieg.

Die scheinbare Konsenslösung zwischen den Eltern wird sicher auch durch die nach der Geburt eines Kindes gerade in den Altbundesländern nach wie vor völlig unzureichende Betreuungsinfrastruktur negativ beeinflusst.

Zu erwähnen ist aber auch, dass gerade dort, wo Unternehmen auf Frauen als Mitarbeiterinnen nicht verzichten wollen, Anstrengungen für eine familienfreundliche Personalentwicklung schon beim Mutterschutz getroffen werden.

AKF: Gynäkologinnen des AKF berichten immer wieder, dass Schwangere in die Praxis kommen und ein Beschäftigungsverbot attestiert haben möchten – aus Sicht der Ärztinnen wäre das häufig nicht erforderlich. Was könnten Ärztinnen Ihrer Meinung nach tun?

Prof. Nebe: Ärztinnen können zweierlei tun. Sie sollten die jungen Frauen über das tatsächliche Risikopotenzial, ausgehend vom konkreten individuellen Arbeitsplatz, und über denkbare Schutzvorkehrungen aufklären. Zugleich sollten sie die Frauen ermutigen, ihr Recht auf eine mutterschutzgerechte Beschäftigung einzufordern. Viele schwangere Frauen kennen ihre Rechte aus der Mutterschutzarbeitsplatzverordnung nicht. Gynäkologinnen können die Versäumnisse der Arbeitgeber/innen zumindest teilweise nachholen und die Frauen über ihre Rechte informieren. In einer ärztlichen Bescheinigung über die Schwangerschaft sollten zugleich Hinweise über eine schwangerschaftsgerechte Anpassung der Arbeitsbedingungen gegeben werden. Ein individuelles Beschäftigungsverbot sollte möglichst nur dann attestiert werden, wenn die Frau tatsächlich wegen der besonderen Umstände der Schwangerschaft nicht beschäftigt werden kann, weil sie z.B. viel liegen muss. Erkennt die Gynäkologin, dass die Frau durchaus ihrer bisherigen Tätigkeit, gegebenenfalls unter angepassten Bedingungen, nachgehen kann, kann sie gleichwohl bis zur Herstellung des mutterschutzgerechten Arbeitsplatzes vorsorglich die vorübergehende völlige Freistellung attestieren, in der Sprache des Gesetzes: ein individuelles Beschäftigungsverbot ausstellen.

Die Gynäkologinnen sollten sich auch nicht scheuen, erkennbare Verstöße der Arbeitgeber/innen gegen ihre Gestaltungspflichten bei der Arbeitsschutzaufsicht anzuzeigen.

AKF: Was muss zum Schutz der Schwangeren vor schädlichen Einflüssen am Arbeitsplatz konkret getan werden?

Prof. Nebe: Das ist eine besonders spannende Frage, denn sie lässt sich trotz der Vielfalt der Einzelfälle doch schon generell beantworten: Die Gefährdungsbeurteilung spielt eine tragende Rolle. Wie schon im allgemeinen Arbeitsschutz muss erst recht mit Blick auf Gefährdungen für schwangere oder stillende Frauen systematisch ermittelt werden, welche konkreten Gesundheitsgefährdungen mit ihrer Beschäftigung verbunden sein können, wie diese vermieden oder, soweit unvermeidbar, durch welche Schutzmaßnahmen diese minimiert werden können. Eingangs hatte ich bereits darauf hingewiesen, dass schon heute jede/r Arbeitgeber/in im Rahmen der allgemeinen Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung auch die besonderen Risiken für Schwangere und Stillende beurteilen und Schutzmaßnahmen bestimmen muss. Nur leider werden die spezifischen Mutterschutzanforderungen meist völlig vernachlässigt.

Auch für die Pflicht zu Schutzmaßnahmen, hilft schon einmal der allgemeine Arbeitsschutz weitgehend. Denn dort gilt das sogenannte S-T-O-P-Prinzip. STOP steht für “S” wie Substitution (Ersatz, Auswechslung), “T” wie technische Maßnahmen, “O” wie organisatorische Maßnahmen und “P” wie personen- und verhaltensbezogene Sicherheitsmaßnahmen. Mit der Aufzählung ist nicht nur das Spektrum möglicher Maßnahmen, sondern auch die Reihenfolge durchzuführender Maßnahmen versinnbildlicht.

Vor dem Hintergrund dieser allgemeinen Prinzipien muss dann in jedem Betrieb ganz speziell nach den dort auftretenden Gefährdungen geschaut und müssen Schutzmaßnahmen ermittelt werden. Häufig wird angenommen, besonderer Mutterschutz komme nur selten in Betracht, die meisten Arbeitsplätze seien ohnehin nicht besonders gefährdend. Diese Sicht ist völlig falsch. Selbst ein scheinbar „einfacher“ Büroarbeitsplatz kann im Falle einer Schwangerschaft besondere Risiken begründen – Toneremissionen, Mehrfachbelastungen, gesundheitsbelastende Kollegen-, Vorgesetzten- oder Kundenbeziehungen, ungenügende Möglichkeiten angemessener Arbeitsunterbrechungen usw.

Mit dieser Aufzählung will ich nicht zu der oben kritisierten Dramatisierung von Risikolagen beitragen. Vielmehr geht es um eine sachlich angemessene Bewertung. Hierbei helfen z.B. die Leitlinien der Europäischen Kommission (zu finden im Netz als KOM (2000) 466 endg), die in sehr anschaulicher Weise die mit herkömmlichen Beschäftigungsbedingungen verbundenen Risiken und zugleich praktikable Schutzmaßnahmen auflisten. Solche beispielhaften Übersichten können für Arbeitsschutzverantwortliche wie auch für die Frauen selbst wertvolle Hilfen bei der Bewältigung der Herausforderungen sein.

AKF: Muss das erst im Falle der Schwangerschaft geschehen oder bereits früher?

Prof. Nebe: Damit sprechen Sie einen ganz elementaren Punkt eines präventiven Mutterschutzes an. Die Antwort ist hier eindeutig: Es gibt quasi zwei Arten von Gefährdungsbeurteilungen, eine frühzeitige, generelle und anlassunabhängige Gefährdungsbeurteilung und eine individuelle, anlassbezogene Gefährdungsbeurteilung.

Die anlassunabhängige Gefährdungsbeurteilung erfolgt idealerweise im Rahmen der allgemeinen betrieblichen Gefährdungsbeurteilung und schließt die mutterschutzspezifischen Gefährdungen ein. Schon hierauf gestützt, greift nach dem STOP-Prinzip die Pflicht zu Schutzmaßnahmen, z.B. die Pflicht zur Eliminierung von riskanten Stoffen oder Strahlen. Sobald  der/die Arbeitgeber/in erfährt, dass die Frau schwanger ist oder stillt, greift dann die Pflicht zur anlassbezogenen Gefährdungsbeurteilung, die mit Rücksicht auf höchst unterschiedliche Schwangerschaftsverläufe in angemessenen Abständen zu wiederholen ist.

Der Stellenwert der anlassbezogenen Beurteilung leuchtet den meisten Menschen ein. Die gegebenenfalls notwendige Wiederholung ist weniger akzeptiert, im präventiven Gesundheitsschutz aber unverzichtbar.

Zur wichtigen Funktion der anlassunabhängigen Gefährdungsbeurteilung will ich noch etwas sagen: Sie ist das zentrale Element für einen kommunikativen Mutterschutz. Erfahren Frauen rechtzeitig, welche Risiken sich im Falle einer Schwangerschaft ergeben können, so haben sie die wichtige Chance, hierauf aktiv zu reagieren – bestes Beispiel ist vorsorgender Immunschutz bei bestimmten Expositionen (z.B. Rötelnimpfung der Kindergärtnerin). Außerdem  wird das Verantwortungsbewusstsein ganz anders angesprochen, wenn frau weiß, welche Risiken ihr und dem Kind drohen und welche Gegenmaßnahmen der/die Arbeitgeber/in im Falle der Schwangerschaft zum Schutz der Gesundheit und der gleichberechtigten beruflichen Teilhabe ergreifen wird. Die Aufklärungspflichten in der Röntgenverordnung und in der Strahlenschutzverordnung sind hier positive Gesetzgebungsbeispiele. So kann eine Pilotin oder Flugbegleiterin sich wegen einer absehbaren Schwangerschaft z.B. zur Strahlenreduktion häufiger auf Flügen entlang des Äquators statt über die deutlich strahlenbelasteteren Polkappen einsetzen lassen, um nur ein Beispiel zu nennen.

AKF: Es gibt ja nicht „die Schwangere“ – Frauen sind höher oder geringer qualifiziert, in unterschiedlichen Arbeits- bzw. Ausbildungsformen und Positionen tätig. Müssen in einem neuen Gesetz alle gleichermaßen geschützt werden? -Studentinnen, Schülerinnen, Praktikantinnen, Selbstständige …

Prof. Nebe: Diese Frage kann ich klar und knapp mit einem eindeutigen Ja beantworten: Gefährdungen während der Schwangerschaft, nach der Geburt und in der Stillphase verwirklichen sich völlig unabhängig von der Qualifikation oder dem rechtlichen Status der Frau. Gesundheitsschutz darf nicht an rechtlichen Statusfragen scheitern. Die Rechtsprechung hat anhand vieler prominenter Beispiele gezeigt, wer alles „Arbeitnehmerin“ im Sinne des Arbeitsschutzrechts sein kann. Das können die teilzeitbeschäftigte Verkäuferin wie die angestellte  Ärztin, die Praktikantin, die Beschäftigte in einer Werkstatt für behinderte Menschen, die Geschäftsführerin und auch die niedergelassene selbständige Ärztin sein. Sowohl das Arbeitsschutzgesetz als auch verschiedene jüngere Rechtsverordnungen im Bereich des Arbeitsschutzes sind in ihrem persönlichen Anwendungsbereich deutlich weiter als die klassischen Gesetze, wie z.B. das Kündigungsschutzgesetz, und gehen über den klassischen Begriff der Arbeitnehmerin deutlich hinaus.

Es ist daher nur eine logische Konsequenz, im Zuge der Modernisierung des Mutterschutzrechts den Geltungsbereich diesen Entwicklungen anzupassen und die genannten Gruppen aufzunehmen.

AKF:  Was halten Sie von der vom AKF zum Muttertag 2014 verfassten Erklärung “Eine größere Wertschätzung von schwangeren und stillenden Frauen in der Arbeitswelt ist überfällig”?

Prof. Nebe: Diese Erklärung teile ich uneingeschränkt. Unsere arbeitsteilige und schnelllebige Welt braucht regelmäßige Vergewisserungen und auch Appelle. Seitdem ich mich mit dem Thema Mutterschutz beschäftige, weiß ich, wie schwer es dieses elementare und für die Menschheit so einzigartige und wunderbare Thema hat. Ich plädiere auch regelmäßig dafür, Mutterschutz nicht als Ausdruck eines an allein individuellen oder ökonomischen Interessen orientierten Zeitgeistes, sondern als Menschenrecht, als Ausdruck von Familienschutz, Frauenrechten und Kinderrechten gleichermaßen zu begreifen. Die Arbeitswelt muss die notwendigen Spielräume ermöglichen, damit Frauen gebären und stillen und Frauen wie Männer Kinder großziehen und gemeinsam mit ihnen menschenwürdig leben können.

AKF: Noch einen kurzen Blick auf den  Entwurf der Bundesregierung. Wie beurteilen Sie den Entwurf?

Prof. Nebe: Der Entwurf der Bundesregierung setzt die zentralen Elemente eines präventiven, kommunikativen und diskriminierungsfreien Mutterschutzes klar um. Die anlassunabhängige und die anlassbezogene Gefährdungsbeurteilung sind geregelt, ebenso wie die hierauf aufbauenden Schutzmaßnahmen. Dass die völlige Arbeitsfreistellung nur letztes Mittel sein darf und Mutterschutz auch allgemein nicht benachteiligen darf, ist ebenso deutlich verankert. Der AKF hat bereits in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf Vorschläge gemacht, an welchen Stellen der sichtbare Leitbildwechsel noch der deutlicheren und vor allem rechtssicheren Konturierung bedarf. Einige der Vorschläge sind im Regierungsentwurf wiederzufinden. Das ist erfreulich. Dennoch bleiben noch Kritikpunkte. Besonders hervorheben möchte ich drei Punkte:   Frauen müssen in der Schwangerschaft nicht nur Gesundheitsschutz, sondern auch Entgeltschutz haben. Im geltenden § 11 MuSchG ist der Mutterschutzlohn geregelt, der allerdings dem Wortlaut nach für die Beschäftigungsverbote vorgesehen ist; § 17 im Regierungsentwurf hält allein an den Beschäftigungsverboten fest. Dies scheint Änderungen der Arbeitsbedingungen infolge der vorrangigen Anpassungspflicht nicht zu umfassen. Dies wäre unzulässig. Im Zuge der Reform muss daher strikt darauf geachtet werden, dass der Entgeltschutz bei mutterschutzbedingten Tätigkeitsveränderungen nicht allein an „Beschäftigungsverbote“ bzw. völlige Arbeitsfreistellungen anknüpft. Dies gilt ebenso für die Erstattungen, die die Arbeitgeber/innen für das von ihnen fortzuzahlende Entgelt von der Ausgleichskasse im Umlageverfahren erhalten. Hier darf der Erstattungsanspruch im Umlageverfahren nicht allein bei sogenannten Beschäftigungsverboten greifen. Gerade diejenigen Arbeitgeber/innen, die die Beschäftigung mutterschutzgerecht ausgestalten und die Frau z.B. inhaltlich verändert und/oder in zeitlich geringerem Umfang beschäftigen, müssen ebenso unkompliziert die fortgezahlte Entgeltdifferenz erstattet bekommen. Hier bedarf das Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) einer sprachlichen Präzisierung. Deutliche Kritik ist am fehlenden Beendigungsschutz für befristet beschäftigte Frauen zu üben. Nach ständiger Rechtsprechung greift das mutterschutzrechtliche Kündigungsverbot nicht, wenn ein Vertrag wegen einer Befristung ausläuft. Der elementare Schutz geht damit für viele junge Frauen verloren, denn die Mehrzahl der Berufseinsteigerinnen wird heute nur befristet eingestellt. Hier hat der AKF vorgeschlagen, die Befristung zumindest bis zum Beginn der Schutzfristen zu verlängern, um den Verlust des Mutterschaftsgeldes für die Frauen zu verhindern.

Außerdem fehlt im Regierungsentwurf jegliche Regelung zum Rückkehrrecht, das europarechtlich für Deutschland zwingend vorgeschrieben ist. Auch hierzu enthält die Stellungnahme des AKF klare Regelungsvorschläge.

AKF: Und zum Schluss: Was kann der AKF dazu beitragen, dass es zu guten, tragfähigen Regelungen kommt, so dass schwangere und stillende Frauen bei der Arbeit zukünftig bestmöglich geschützt sind – ohne Nachteile für ihren weiteren Erwerbsverlauf und die gesellschaftliche Teilhabe?

Prof. Nebe: Der AKF muss wie bisher, gemeinsam mit Partnerinnen und Partnern, seine Stimme in der politischen Debatte erheben. Der AKF hat in der Mutterschutzdiskussion eine Pionierrolle eingenommen. Das Erreichte sollte Ansporn sein, diese Rolle weiterhin im Gesetzgebungsprozess verantwortungsvoll zu gestalten. Ich freue mich, die Frauen im AKF auf diesem Weg begleiten zu dürfen.

Das Interview mit Prof. Dr. Katja Nebe führten Barbara Reuhl, AG Mutterschutz im AKF und Karin Bergdoll, 2. Vorsitzende des AKF, im Mai 2016.

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