Aktuelle Entwicklungen zum § 219a Strafgesetzbuch
Dr. Eva Waldschütz,
niedergelassen als Frauenärztin in Wuppertal seit 2000, AKF-Mitfrau seit 1994
Gerichtsverhandlung und gesetzliche Grundlage
Am 24. November 2017 wurde die Gießener Allgemeinärztin Kristina Hänel vom Gießener Amtsgericht wegen Verstoß gegen den § 219a zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt. Sie hatte auf ihrer Praxishomepage darüber informiert, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Da sie damit Geld verdiene, habe sie durch die Information auf einen Vermögensvorteil abgezielt und sich damit strafbar gemacht, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung.
Werben ist Ärzt*innen, die Abbrüche durchführen, nicht erlaubt. Eine Information über Tätigkeiten ist keine Werbung. Doch das sah das Gericht anders. Nur Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen sollen nach gegenwärtiger Gesetzeslage darüber informieren, welche Ärzt*innen Schwangerschaftsabbrüche durchführen.
Das Schwangerschaftskonfliktgesetz regelt in § 13(2), dass die Länder ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen sicherstellen.
Anzeigen gegen Ärzt*innen
Immer wieder nutzen fundamentalistische Abtreibungsgegner den § 219a, um Ärzt*innen anzuzeigen. Die „selbsternannten Lebensschützer“ betreiben das sogar als „Hobby“, s. Beitrag bei Deutschlandfunk Kultur.
Solidarität
Bereits zum Zeitpunkt des Prozesses hatte sich Widerstand formiert. Über change.org hatte Kristina Hänel eine Online-Petition an den Deutschen Bundestag gestartet, die über 155.000 Menschen mitgezeichnet haben. Die TAZ brachte einen umfangreichen Bericht zum Thema, in dem sich Ärzt*innen mit Kristina Hänel solidarisierten. Schnell schlossen sich zahlreiche Verbände und Parteien an und forderten eine Streichung des § 219a, darunter die SPD, Grüne, Die Linke wie auch viele zivilgesellschaftliche Organisationen und Frauengesundheitsorganisationen wie der AKF. Die FDP plädiert für eine Änderung von § 219a, nur die CDU und die AfD wollen den Paragrafen belassen.
Es gibt eine breite mediale Berichterstattung zum § 219a und vielfältige Aktivitäten für Frauenrechte, sexuelle Selbstbestimmung von Frauen und die Abschaffung des § 219a:
• Solidarität mit Kristina Hänel und für die nach § 219a StGB angeklagten Ärzt*innen
• Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung
Standesvertretung
Auch verschiedene Landesärztekammern haben gefordert, die Strafbarkeit von sachlicher Information zu Schwangerschaftsabbrüchen abzuschaffen. So kollidiere das Verbot von sachlicher Information mit dem Informationsanspruch der betroffenen Frauen, verlautbarte die Delegiertenversammlung der Berliner Ärztekammer im Februar 2018. Auch die Delegiertenversammlung der Ärztekammer Hamburg forderte im April 2018 die Streichung von § 219a. Der Bundesärztetag ist gegen eine Streichung des § 219a und verwies das Thema an die Politik.
Politik
Am 27. Juni 2018 gab es eine Anhörung von Sachverständigen im Bundestag, die die ganze Bandbreite der gesellschaftlichen Positionen beleuchtet.
Weitere Prozesstermine
Die aktuelle Terminübersicht finden Sie bei unserer Themenübersicht zum Schwangerschaftsabbruch
Schwangerschaftsabbruch / Themenübersicht
Bildnachweis: © Fotografin: Meike Willner, Eva Waldschütz, mit freundlicher Genehmigung